Was Wale über die Wüste erzählen

Stell dir vor, die siehst nicht Sand und Felsen wie auf diesem Foto, sondern blaues Meer mit Mangrovenwäldern an den Küsten. Am Himmel ziehen riesige Vögel ihre Kreise. Du hörst ihre Rufe, mit denen sie die Walwanderungen begleiten. Im Meer schwimmen Wale, Haie und Schildkröten. An den Meeresfelsen wachsen Muschelkolonien und Korallenbänke. Plötzlich zischt eine Wasserfontäne nach oben, eine riesige Welle schwappt an Land. Dann erhebt sich ein großer Wal aus dem Meer. Er ist sagenhafte 18 Meter lang. Behäbig watschelt das Urzeitvieh, das halb Schlange, halb Echse, halb Fisch ist, auf seinen kurzen Hinterbeinen an Land. Alles pure Fantasie?

Panorama vom Wadi al Hitan (c) Volker Scherl

Ganz und gar nicht. Der Wüstenwind enthüllte vor wenigen Jahrzehnten ein Geheimnis aus den Urzeiten der Erde. Er hatte Sandschicht um Sandschicht abgetragen und eine bizarre Wunderwelt freigelegt. Skelette, Knochenreste, Zähne von Walen, Haien und Schildkröten kamen zum Vorschein. Ein kühner Gedanke schoss den ersten Entdeckern dieser unwirklichen Überreste durch den Kopf: War Ägypten einmal Teil eines Meeres? Jahre später dann die Gewißheit, tatsächlich gehörte der Norden von Ägypten vor 30 bis 40 Millionen Jahren zu einem riesigen Meer.

Urzeitliche Wale erzählen über die Evolution

Um das ganze Geheimnis zu ergründen, müssen wir noch viel weiter in die Geschichte zurück gehen. Vor rund 200 Millionen Jahren gab es das heutige Afrika noch nicht. Es war Bestandteil des Superkontinents Gondwana. Gondwana war umgeben vom  Tethys-Ozean, einem riesigen Meer. Das Gebiet des heutigen Kontinents Afrika lag in einer Bucht im Osten von Pangaea. Als die einstigen Superkontinente zusammenstießen, verschwand der riesige Ozean.

                                                        Laurasie - Gondwana (c) Laurasia-Gondwana, Übers. Lumu

Wie der heutige afrikanische Kontinent entstand

Durch Verschiebungen der Erdkruste Afrikas wurde das Gelände angehoben, das Meer wich zurück. Ein tropisches Land entwickelte sich, das über Jahrmillionen zur Steppe wurde, und weitere Jahrtausende später zur Wüste. Heute kann man in dem acht Quadratkilometer großen Tal  die versteinerten Skelette von primitiven Walen, Haizähnen, Muscheln und Korallen sehen.

Basilosaurus (c) Tom Horton

Tal der Wale in der Lybischen Wüste (c) Viktor Krojenko

Basilosaurus (c) Pavel Riha

Mehr als 250 Walskelette wurden bisher entdeckt. Auf dem Foto oben links und in der Mitte siehst du die Skelette eines  Basilosaurus. "Basilosaurus" bedeutet Königsechse, aber handelte es sich wirklich um ein Reptil? Die ersten Knochenfunde des urzeitlichen Tiers deuteten darauf hin. Der englische Anatom Richard Owen erkannte jedoch, dass es sich nicht um ein Reptil sondern um ein Säugetier handelte! Und zwar um einen Wal. Der urtümliche Wal besaß die Reste von Hinterbeinen, aber sein stromlinienförmiger Körper war schon an das Wasserleben angepasst. Er besaß eine Fluke wie die heutigen Wale. Aber zum Luftholen musste er ständig den Kopf aus dem Wasser strecken. Der Basilosaurus war das größte Säugetier seiner Zeit und erreichte eine Länge von etwa 18 m. Er ernährte sich von Fischen und kleineren Meeressäugern.

Eine Urlandschaft wird zum Naturerbe erklärt

Winderosion im Tal der Walte (c) Tom HortonÜber die Jahrtausende hat der Wüstenwind das ‚Tal der Wale‘ – arabisch Wadi al-Hitan – zu einer phantastischen Landschaft geformt. Pilze, Torbögen, Gesichter aus Stein  wachsen aus dem Wüstensand. Das Tal der Wale liegt im Westen von Ägypten. Es gehört heute zu einem großen Naturschutzgebiet. Das Tal wurde für Autos gesperrt, da zu viele wertvolle Walskelette überfahren und zerstört wurden. Das Wadi al-Hitan gehört seit 2005 zum UNESCO Weltnaturerbe. Noch sind nicht alle Geheimnisse dieser Tiere gelüftet, die sicher noch viel mehr darüber erzählen können, wie sich die Erde entwickelte. Auf künfitge Wüstenforscher warten noch viele Aufgaben!

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