Das freundliche Erdferkel

Ein Märchen der Kikuyu – Kenia

Erdferkel 

Vor langer Zeit hatte Warzenschwein phantastisch große Elfenbeinzähne und Elefant ganz bescheidene kleine. Elefant wurde sehr neidisch. Er fand es ungerecht, dass er, das größte und mächtigste Tier im Busch mit solch lächerlich kleinen Zähnen zufrieden sein sollte.

Warzenschwein war zwar zufrieden, aber doch nicht immer glücklich mit seinen enormen Zähnen. Beim Grasfressen und Wurzelausgraben waren sie ständig im Weg. Auch waren sie so schwer, dass es sie über den Boden ziehen musste. Trotzdem war Warzenschwein ungeheuer stolz darauf.

Der beste Freund von Warzenschwein war Erdferkel. Sie lebten nahe beieinander, Erdferkel unterirdisch, in seinen vielen Höhlen und Gängen, und Warzenschwein überirdisch. Wenn sie beim Dunkelwerden beieinander saßen, erzählten sie sich viele schöne und lustige Geschichten.

Eines Tages erhielt Warzenschwein eine Einladung von Elefant. Er schrieb: „Ich würde mich sehr freuen, wenn du mich besuchen könntest. Ich möchte gar zu gerne deine schönen Geschichten hören.“

Warzenschwein sagte zu  und verabschiedete sich von Erdferkel. „Bist du noch hier, wenn ich zurückkomme?“

Ich werde auf dich warte“, antwortete Erdferkel. „Aber pass auf deine Stoßzähne auf! Elefant ist sehr neidisch. Trau ihm nicht! Er wird versuchen, sie dir wegzunehmen. Bitte sei vorsichtig.“

Warzenschwein lief zu Elefant, und sie verbrachten einen wirklich schönen Tag mit lustigem Geschwätz und Geplauder. Elefant fraß von den Ästen, Warzenschwein grub Wurzeln und Pilze aus, das Gras schmeckte gut und war reichlich. Zwischendurch machte Elefant Komplimente über die herrlichen Stoßzähne von Warzenschwein, und dieses dachte, wie nett und charmant Elefant doch ist.

Als es schließlich Zeit wurde sich zu verabschieden, sagte Elefant: „Komm mich doch  bitte wieder besuchen. Es war ein toller Taag. Ich würde nur gar zu gern wissen ... ach, lassen wir das.“

„Was sollen wir lassen?“ fragt Warzenschwein.

Da tat Elefant ganz verlegen: „Deine Stoßzähne sind wahrscheinlich die prächtigsten im ganzen Land. Weißt du, ich würde zu gerne wissen, wie ich damit aussehen würde. Aber darüber können wir ja das nächste Mal nachdenken, es ist schon spät geworden.“

„Nein, nein“, sagte Warzenschwein, „wir haben noch Zeit und es dauert wohl auch nicht lange. Komm, ich möchte mich für den schönen Tag bedanken und dir noch eine kleine Freude machen. Nimm, mein Freund!“

Und Warzenschwein zog seine Stoßzähne aus und gab sie Elefant. Der ersetzte seine kurzen Hauer mit den langen Zähnen von Warzenschwein, betrachtete sich im Wasser und trompetete vor Freude, dass man es weithin hören konnte. Stolz warf er den Koch hoch und rief „Danke, du dummes Schwein, deine Zähne kannst du vergessen. Sie gehören jetzt mir! Mir! Mir!“ Er kehrte Warzenschwein den Rücken und verschwand hinter dem nächsten Hügel.

Jetzt erinnerte sich Erdferkel an die Warnung von Erdferkel. Aber alles Jammern nützte nichts. Es setzte sich die kurzen Elefantenhauer ein und machte sich schluchzend auf den Heimweg.

„Was ist geschehen?“ empfing Erdferkel Warzenschwein. Und Warzenschwein erzählte ihm die ganze Geschichte. „Ich sehe lächerlich aus!“ heulte es.

Erdferkel tröstete Warzenschwein so gut es konnte. „Hast du es noch nicht bemerkt? Diese sind doch viel leichter für dich zu tragen. Und Elefant wird auf Dauer mit deinen Zähnen nicht glücklich werden. Die Menschen werden gierig nach dem Elfenbein sein. Sie werden Elefant jagen und nach dem Leben trachten, nur um seine Zähne zu bekommen. Du selber wirst ohne Angst vor den Menschen leben. Du kannst dich jetzt vor ihnen in den Höhlen verstecken.“

„In den Höhlen?“ fragte Warzenschwein. „Ich kann doch nicht graben!“

„Das brauchst du auch nicht“, antwortete Erdferkel. „Ich mache das für dich. Ich habe viel zu viele Höhlen. Die können wir uns teilen. Ich bin sowieso ständig unterwegs. Da kannst du dir eine freie höhle aussuchen.“

Warzenschwein war Erdferkel sehr dankbar. Mit den kurzen Hauern hat es sich inzwischen abgefunden. Elefant aber hat ein schweres Leben und verwünscht oft seine wertvollen Stoßzähne.