Die gierige Hyäne

                                                     

                                                               Eine Shona Geschichte

Eines schönen Tages machte sich Hyäne auf, um zu jagen. Es war während der Trockenzeit, die Beute war knapp und Hyäne war sehr hungrig, denn sie hatte seit mehreren Tagen nichts gefressen.

Nach langem Suchen sah Hyäne plötzlich ein Impala-Weibchen mit ihrem Kitz. Während sie sich hinter ein hohes Grasbüschel duckte, dachte Hyäne an die leckere Mahlzeit, die das junge Impala abgeben würde. Sie begann zu sabbern, und ihr Magen knurrte laut.

„Aber“, dachte sie, „die Impala-Mutter wird ein Problem sein.“ Weil sie ein Weibchen war, hatte sie natürlich keine Hörner, aber mit ihren scharfen Hufen konnte sie trotzdem einen gefährlichen Kampf liefern. Hyäne beschloss, zuerst die Mutter zu fangen und zu verputzen, dann wäre das Kitz leichte, leckere Beute. Also sprang Hyäne aus ihrem Versteck und jagte direkt auf die Impala-Mutter los. Diese flüchtete schnell genug und lockte die Angreiferin fort von ihrem Jungen, das in die entgegengesetzte Richtung flüchtete.

Nach einigen Meilen erkannte Hyäne, dass sie den Wettlauf gegen die Impala-Mutter nicht gewinnen konnte. Sie würde das flinke Impala nie fangen. Und als es hinter einem Hügel verschwand, gab Hyäne die Verfolgung auf. „Aha“, dachte sie bei sich, „das kleine Kitz ist jetzt ganz alleine. Wenn ich zurückeile, werde ich mein Abendessen doch noch vor Sonnenuntergang bekommen.“

Hyäne kehrte zum Ausgangspunkt zurück, überzeugt, dass sie das Impala-Junge leicht erbeuten könnte. Aber als sie dort ankam, wo die Jagd begonnen hatte, war Hyäne enttäuscht. Sie konnte kein Kitz mehr finden. Es befand sich in der Obhut der Herde und wartete dort auf die Rückkehr seiner Mutter.

Hyäne suchte noch lange Zeit, bis sie schließlich einsah, dass sie zu viel auf einmal wollte. Wenn sie nicht so gierig gewesen wäre und versucht hätte, beide zu fangen, Mutter und Kitz, wäre sie in dieser Nacht nicht hungrig zu Bett gegangen.

 

© Baeschlin Glarus Verlag, 2005

Wir danken dem Baeschlin Glarus Verlag und Hannelore Wehrli-Oehler für dieses Märchen