Die Route der Tierherden

Mit dem Regen erwacht der Wandertrieb

Gnus im Ngorongoro Krater (c) Haplochromis CC BY SA 3.0Zwischen März und April prasselt der Regen auf die Serengeti nieder. Dann erwacht in Millionen Gnus der Wandertrieb. Sie leiten die jährliche Tierwanderung durch die Savanne ein. Ihnen folgen die Zebras, Gazellen und  Antilopen. In nur wenigen Tagen findet ein Massenauszug statt. Nur ein paar sesshafte Antilopen und ältere Tiere bleiben zurück, die bei der anstrengenden Wanderung nicht mithalten können.

Die Gnus wandern im Kreis durch die Savannen

Die Gnus ziehen nach Nordwesten, Richtung Victoria See. Sie folgen einem genetisch festgelegten inneren Trieb, der sie zu frischen Weiden und Wasserflächen führt. Mit ihren Vorderhufen hinterlassen sie Duftspuren, damit ihre Artgenossen den Weg finden. Wenn die Weiden abgegrast sind, ziehen die Herden nach Norden zum Masai-Mara Reservat, das auf der Karte rechts eingezeichnet ist. Auf ihrem 3 000 Kilometer langen Rundkurs ziehen sie durch Steppe, Buschland und Wälder. Die Wanderung steckt voller Gefahren. Denn an ihre Fersen heften sich wachsame Löwen, Geparden und Leoparden, Hyänen, Schakale und Geier. Beim Durchqueren der Flüsse warten Krokodile auf sie. Die Einheimischen sagen, dass die Tierwanderung „so alt ist wie die Hügel“.

Gemeinsam wandern bringt Vorteile

Über Jahrtausende hat sich ein perfektes Ökosystem herausgebildet. Die Zebras weiden das hohe Gras ab. Sie bevorzugen längere Grashalme. Gnus hingegen mögen das kurze, abgefressene Gras. Indem sie das kurze Gras abweiden, regen sie es zu neuem Wachstum an. Das frische Gras bildet die Nahrung für die Thompson-Gazellen, die den Gnus Wochen später folgen. Das vertrocknete Langgras können sie nämlich gar nicht verdauen.

Burchells Zebra (c) Rui Ornelas CC BY SA 2.0

Antilope_Aepyceros_melampus (c) Stig Nygaard CC BY SA 2.5

Black wildebeest aka gnu (c) Dodo gemeinfrei

Es gibt noch einen Grund mehr, warum die verschiedenen Tierarten gemeinsam wandern. Zebras haben ein gutes Auge, aber einen sehr schlechten Geruchssinn. Ganz anders die Gnus. Sie können außerordentlich gut riechen, sehen aber miserabel. Deshalb sind sie immer gemeinsam unterwegs, um gegen Angreifer besser gewappnet zu sein. Die Antilopen und Gazellen sind die "Wasserfinder". Sie besitzen einen sechsten Sinn für unterirdische Wasseradern und sie können über viele Kilometer weit riechen, wo es gerade regnet oder wo sich der nächste Fluss befindet.

Die Verfolger

Die Routen durch die Savannen werden von den majestätischen Löwen regiert. Sie begleiten die Herden und halten nach den schwachen und alten Tieren Ausschau. Sie jagen Gnus und Zebras. Die wendigen Leoparden pirschen durch die Akazienbaumlandschaften an den Flüssen. Auch sie haben Appetit auf die großen Herdentiere. Ihr Revier sind die offenen, flachen Savannen. Hier können sie den Vorteil ihrer hohen Geschwindigkeit voll ausspielen. Sie jagen leichtere Beute wie kleine Antilopen oder Gazellen.

Jagende Löwinnen (c) farmgirl CC BY SA 2.0

Tüpfelhyäne (c) Jarekt CCBY SA 2.0

Gepard in der Serengeti (c) Joachim Huber CC BY SA 2.0

Die Herden müssen ihre Jungtiere auch vor den Schakalen und Hyänen beschützen, die gewiefte und ausdauernde Jäger sind. Schließlich werden die Herden von Geiern begleitet. Die Aasfresser machen sich über die streng riechenden Überreste der Beute her. Doch sie sind unverzichtbar im Ökosystem der Serengeti. Sie streiten sich mit Sperbergeiern, Ohrengeiern und Marabus um die letzten Reste, die Löwen und Hyänen übrig lassen.

Die Herden orientieren sich an den Flüssen

Die riesigen Herden müssen während ihrer Wanderung täglich zum Wasser laufen, um ihren Durst zu stillen. Deshalb sind Flüsse und Wasserlöcher die wichtigsten Orientierungspunkte des langen Marsches. Entscheidend für die Route der Tiere ist der etwa 400  Kilometer lange Mara-Fluss. Er führt das ganze Jahr über Wasser. Selbst in den trockensten Jahren spendet er Wasser. Der Mara entspringt in den kenianischen Mau-Wäldern. Er fließt hinab durch das Masai Mara Reservat und den Serengeti-Nationalpark. Schließlich mündet er in den Victoria-See.

Die Anführer der Herden

Berge in der Serengeti (c) William Warby CC BY SA 2.0 Jede Herde hat einen Anführer, einen erfahrenen Bullen oder Zebrahengst. Die Jungen und die Muttertiere wandern in der Mitte der Herde, beschützt von den älteren Tieren am Rand. Entlang den Flussläufen ziehen sie Richtung Victoria See. Sie kennen die Gefahren, die in den Flüssen drohen. Die Strömung könnte die Jungen und die schwachen Tiere abtreiben, und die Krokodile warten nur darauf, dass sich die Gnus und Zebras den Flüssen nähern. Denn im Wasser sind sie den Vierbeinern überlegen. Wenn die Trockenzeit im Juni einsetzt, haben die Tierherden keine Wahl. Hunger und Durst treiben sie zur gefährlichen Überquerung der Flüsse. Denn sie müssen zu den fruchtbaren Gebieten im Norden gelangen, damit die Jungen überleben.

Die Überquerung der Flüsse

Die größte Gefahr lauert in den Flüssen. Das Flusswasser ist im Juni flach genug für eine Überquerung. Aber an einigen Stellen gibt es starke Strömungen, die junge oder schwache Tiere mitreißen könnten. Außerdem warten massige Nilkrokodile auf ihre Opfer. Sie versammeln sich an den seichtesten Stellen, bereit ihre Beute zu fassen und unter Wasser zu ziehen. Die Gnus sind unvorsichtig, sie jagen drauf los, wenn die Stelle seicht genug ist. Die Zebras sind viel vorsichtiger. Sie prüfen die Lage, wenn sie Krokodile wittern, weichen sie lieber aus und überqueren den Fluss an einer anderen Stelle. Deshalb orientieren sich die Gnus häufig an den Zebras und überqueren nach ihnen die Flüsse. Die Herden jagen in schnellem Lauf durch den Fluss. Trotz aller Vorsicht werden immer wieder einzelne Tiere von den Krokodilen geschnappt. Doch die meisten schaffen es und setzen die Wanderung Richtung Norden fort. Sie ziehen zum Mara Fluss. Meist sind es die Gnus, die vorangehen, denn sie haben einen besseren Sinn für Wasser als Zebras. 

Gnus überqueren den Mara (c) Fiver Lücker CC BY SA 2.0

Zwischen September und Oktober ziehen die Herden durch den Masai-Mara-Nationalpark. Hier gibt es genügend Wasser und Weideflächen. Könnten sie immer hier bleiben? Der Rhythmus der Jahreszeiten treibt sie zurück. Wenn im November die kleine Regenzeit einsetzt, machen sich die Tiere auf den Rückweg in den Süden, an den Ort ihrer Geburt. Hier werden sie ihre nächsten Jungen gebären und eine neue Generation großziehen.