Sklaverei und Sklavenhandel

Der Sklavenhandel ist ein sehr trauriges Kapitel in der Geschichte der Menschheit. Sklaverei gibt es, seit es Menschen gibt. Doch erst seit den frühen Hochkulturen und ihren Zeugnissen über Leibeigenschaft und Versklavung wissen wir mehr darüber. Aus der Geschichte geht hervor, dass kein Kontinent so sehr vom Sklavenhandel betroffen war wie Afrika. Warum litten afrikanische Völker besonders unter dem Menschenhandel? Das hat vielerlei Gründe. Blicken wir zurück in die Geschichte Afrikas, dann finden wir einige Antworten darauf.

Sklaverei in den frühen Hochkulturen Afrikas

Afrikanische Sklaven in Ägypten (c) wikimedia

Die erste Hochkultur in Afrika, bei der Sklaverei existierte, war das Pharaonenreich. Meist waren es Kriegsgefangene aus dem Sudan, dem südlichen Nachbarn Ägyptens, oder aus den Reichen östlich von Ägypten. Die Hautfarbe oder die Herkunft spielte keine Rolle bei der Versklavung von Menschen. In einer Reihe von Kriegen wurden die Gefangenen von den Ägyptern als Kriegsbeute verschleppt und zur Arbeit auf ihren Feldern gezwungen. Mithilfe dieser Leibeigenen schufen die alten Ägypter einen immensen Reichtum und stiegen zu einer Großmacht auf. Der Begriff "Sklave" stammte vermutlich von den Sumerern, die im 4. Jahrtausend vor Christus Menschen aus Osteuropa versklavten. Aus Slave wurde der Begriff "Sklave" und bezeichnete fortan Leibeigene, die entrechtet waren, die verkauft werden konnten und zum Eigentum des Käufers wurden. Auf der Wandmalerei links im Bild siehst du Männer, Frauen und Kinder aus dem Sudan, die nach Ägypten gebracht wurden. Für die Versklavten galt, sie besaßen keine Rechte. Sie wurden zum Eigentum des Käufers. Regeln bestimmten, wie die Besitzer mit den Versklavten verfahren durften.

Araber betreiben Sklavenhandel

Sklaven werden von arabischen Menschenjägern verschleppt (c) Ölbild v. Geroge Francis Lyon 1795 -1832

Im 7. Jahrhundert berichten Reisende von Sklaverei und Sklavenhandel im Orient. Bis dahin waren es vor allem Gefangene aus Osteuropa, die in arabischen Ländern zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Im 8. Jahrhundert trat eine Wende ein. Die Abbasiden, eine arabische Herrscherdynastie, beschlossen, die Sumpfgebiete in Mesopotamien trocken zu legen, dem heutigen Irak. Ohne billige Arbeitskräfte war das nicht zu schaffen. Ein Wettlauf um Gefangene begann. Afrika wurde als neuer Lieferant von Arbeitssklaven entdeckt. Der Islam betrachtet die Unterscheidung zwischen Herren und Sklaven als Teil der göttlichen Ordnung. Versklavung war nach dem Islam gestattet, wenn die Versklavten nicht dem islamischen Glauben angehörten. Das war später ein Grund für nordafrikanische Völker, den Islam anzunehmen. So waren sie geschützt vor Versklavung im arabisch-islamischen Raum. Innerhalb von Afrika existierte bereits ein reger Handel mit Gefangenen. Hauptsächlich wurden Kriegsgefangene von den siegreichen Völkern in die Sklaverei gezwungen. Sie mussten meist in den Minen oder auf den Feldern arbeiten.

 

Sklavenjagd und Sklavenhandel auf den Trans-Sahara Routen

Berberstämme und arabisch-muslimische Sklavenhändler machten sich auf die Jagd nach Afrikanern im Osten und im Herzen Afrikas. Menschenjäger überfielen Dörfer, nahmen die Bewohner gefangen und verschleppten sie in den Norden des Kontinents. Im Trans-Sahara-Handel wurden die Gefangenen auf den uralten Karawanenwegen verschleppt. Auf dem Taghasa-Weg etwa, von Timbuktu am Niger nach Norden, durch die Wüste bis ins marokkanische Sidschilmassa und nach Tunis. Ein weiterer Weg führte über die Garamantenstraße durch Libyen, beginnend bei den Haussa am Tschadsee und endend in Tripolis. Über sieben Millionen Menschen, schätzen Historiker, gerieten auf diesen Wegen in die Sklaverei. Al Fustat, eine Stadt am Nil, wurde zu einer wichtigen Drehscheibe im Sklavenhandel zwischen Afrika und dem Mittleren Osten. Später übernahm Kairo die Rolle als Zentrum des arabisch-afrikanischen Sklavenhandels. Zahlreiche Gefangene wurden auch nach Mesopotamien verschleppt. Schon auf dem wochenlangen Weg durch die Wüste starb etwa ein Drittel der Verschleppten vor Durst oder Erschöpfung. Die Gefangenen, die es bis nach Mesopotamien schafften, mussten dort unter schwersten Bedingungen Salzsümpfe austrocknen und Plantagen anlegen. Dabei kamen so viele Afrikaner ums Leben, dass der Plan aufgegeben wurde. Doch damit war der Sklavenhandel nicht vorbei.  

 

Sklavenhandel in ostafrikanischen Königreichen

Die äthiopischen Königreiche der Gibe-Region waren bekannt für den Sklavenhandel. Sie exportierten jährlich etwa 7.000 Gefangene in das übrige Äthiopien und in den arabischen Raum. Bei Überfällen auf benachbarte Stämme erbeuteten sie Frauen, Männer, Kinder und verkauften sie in die Sklaverei. Die Versklavten arbeiteten meist im Haushalt oder in der Landwirtschaft. Gut ausgebildete Gefangene wurden sogar als Amtsträger in den traditionellen Staatsapparaten beschäftigt. Die meisten waren Kriegsgefangene, daneben gab es auch Gefangene, die von tributpflichtigen Stämmen als Tribut gestellt wurden. Verschuldung konnte zur Versklavung innerhalb des eigenen Stammes führen. Es kam auch vor, dass Kinder von armen Familien in die Sklaverei verkauft wurden. Über die genauen Regelungen, wie mit Menschen in der Sklaverei umgegangen wurde, weiß man vor dem 18. Jahrhundert noch nicht viel. Nur so viel ist bekannt: Die versklavten Menschen durften heiraten, Kinder aufziehen, Häuser und Habseligkeiten besitzen. Freilassungen kamen vor, auch konnten sich Versklavte freikaufen.

Die Sklavenhochburg Sansibar 

Den arabisch-afrikanischen Sklavenhandel an den Küsten Ostafrikas gab es schon seit dem 8. Jahrhundert nach Christi. Es existierten Sklavenmärkte an den Küstenstädten Ostafrikas und auf den Inseln von Sansibar vor der Küste Tansanias. Ab dem 17. Jahrhundert wurde der Sklavenhandel in Ostafrika zum großen Geschäft. Händler aus Oman ließen sich auf Sansibar nieder. Die Inseln nahmen wegen des großen Handels an der Suaheli-Küste eine wichtige Rolle im arabisch-afrikanischen Sklavenhandel ein. So entstand der damals größte Sklavenmarkt Ostafrikas. Keiner weiß genau, wie viele Afrikaner in den Osten verkauft wurden. Das hängt damit zusammen, dass bei dem Transport der Gefangenen an die Küsten viele die Strapazen nicht überlebten. Historiker vermuten, dass drei von vier Menschen starben, noch bevor sie auf den Sklavenmärkten ankamen. Sie starben vor Hunger, wurden krank oder waren erschöpft von der langen Reise. Ein berüchtigter Sklavenhändler aus Sansibar war Tippu Tip. Er handelte mit Gefangenen von der Ostküste Afrikas und verkaufte sie an Großgrundbesitzer auf Sansibar oder an Sklavenhändler in arabischen Ländern. Mehr über Tippu Tip

Der afrikanische Anthropologe Tidiane N’Diaye kommt in seinem Buch „Der verschleierte Völkermord“ zu dem Schluss, dass der von den arabomuslimischen Räubern betriebene Sklavenhandel verheerend war. Er schätzt, dass etwa 17 Millionen Afrikaner im Lauf vieler Jahrhunderte in die arabische Sklaverei verkauft wurden.

 

Sklavenhandel in Westafrika

Sklaverei wurde für die Erweiterung der islamischen Reiche sehr wichtig. Ein bedeutender Lieferant von Gefangenen war das mittelalterliche Malireich. Es trieb Handel mit den Berbervölkern, die durch ihre Kenntnis der Handelswege durch die Sahara zu wichtigen Mittelsmännern im Handel zwischen afrikanischen und arabischen Herrscherhäusern wurden. Es ging dabei um den Handel mit Gold und den Handel mit Menschen. Arabische und afrikanische Eliten profitierten davon. Wann hielt der Rassismus Einzug in den Sklavenhandel? Genau weiß man das nicht. Sicher ist jedoch, dass im mittelalterlichen Mali die Hautfarbe eine Rolle im Sklavenhandel spielte. Um Menschen zu versklaven, musste man voraussetzen, dass sie minderwertig sind. In Mali wurden Menschen mit schwarzer Hautfarbe als minderwertig betrachtet. Die herrschende Klasse waren die hellhäutigen Berber, die unterste Klasse waren die Bella, die Dunkelhäutigen. So begann in Westafrika der Rassismus in den araboislamischen Sklavenhandel Einzug zu halten. Allein im 13. Jahrhundert wurden über 1000 Bella, also Schwarze, von Mali in die islamische Welt verkauft. Die Gefangenen mussten über 4.500 km durch die Wüste, bevor sie in Kairo auf dem Sklavenmarkt ankamen. Mansa Musa, der König von Mali und damals reichster Mann der Welt, führte auf seiner Reise von Timbuktu nach Kairo 12 000 versklavte Menschen mit sich. Neben Kairo wurden die Städte am Mittelmeer zu den Toren des Sklavenhandels in die Welt Europas und Asiens. Auch über das Rote Meer brachten Händler im Laufe der Jahrhunderte 2,4 Millionen Afrikaner in die arabisch-islamische Welt. Die Gefangenen stammten meist aus Nubien, dem Niltal und Äthiopien.

 

Sklavenhandel war Teil afrikanischer Kulturen

Als die ersten portugiesischen Händler im 15. Jahrhundert den Boden Westafrikas betraten, betrieben bereits außer dem Malireich auch andere westafrikanische Völker Sklavenhandel. Der Geograf Leo Africanus berichtet über seinen Besuch im Jahr 1510 in Gao, der Hauptstadt des Songhai-Reichs am Niger: "Hier gibt es einen bestimmten Platz, auf dem Sklaven verkauft werden, besonders an den Tagen, wenn die Händler sich zusammenfinden. Ein junger Sklave, 15 Jahre alt, bringt sechs Dukaten, Kinder kann man ebenso kaufen. Der König dieses Gebietes hält eine große Zahl von Sklaven und Konkubinen." Die Songhai kontrollierten den Handel zwischen West- und Ostafrika, lange bevor die ersten Portugiesen an der Küste auftauchten. Auf dem Bild rechts siehst du Sonni Ali Ber, den Gründer des Songhaireiches. Zu seiner Zeit handelte es sich hauptsächlich um Kriegsgefangene, die in die Sklaverei gezwungen wurden. Zu den Völkern, die auch im Sklavenhandel aktiv waren, zählten die Hausa, die Yoruba am Niger, die Königreiche Ghana, Mali, Aschanti und die Reiche im Kongo. "Sklaverei war Teil verschiedener afrikanischer Kulturen", erklärt Abdulazizi Lodhi, Professor für Suaheli und Afrikanische Linguistik an der Universität von Uppsala. "Wenn es um den Export ging, waren Afrikaner selbst die Hauptakteure. In vielen afrikanischen Gesellschaften gab es keine Gefängnisse, so dass Menschen, die gefangen wurden, verkauft wurden." Gustav Nachtigal, der Forschungsreisende aus Stendal, traf im Frühjahr 1872 südlich des Tschadsees auf Krieger des islamischen Sultanats Bagirmi. Er beschreibt, wie brutal die Krieger von Bagirmi Dörfer und Siedlungen überfielen. Sie jagten die Überfallenen, fesselten sie und verschleppten sie zu den Sklavenmärkten. Wer sich der Gefangenschaft widersetzte, wurde niedergemetzelt. Die Gefangenen mussten in den Minen oder auf den Feldern der Käufer arbeiten. Die Arbeit war so hart, dass viele die ersten acht Jahre Zwangsarbeit nicht überstanden.

Die Portugiesen und der Sklavenhandel in Westafrika

Die Portugiesen segelten die Küste Westafrikas ab auf der Suche nach Gold und anderen wertvollen Rohstoffen. Sie befanden sich auch auf der Suche nach billigen Arbeitskräften. Warum? Die iberische Halbinsel litt unter Menschenmangel, denn der christliche Krieg gegen die Mauren hatte viele Opfer gekostet. Außerdem waren Schwarze als Feldarbeiter sehr begehrt. In den folgenden Jahrzehnten wurden Zuckerrohrplantagen auf den Azoren, São Tomé und Madeira mit ihnen versorgt. Die Karte links zeigt, wie die Portugiesen Afrika im 16. Jahrhundert sahen. Die Küsten waren gut erforscht, insbesondere die Westküste. Dort, wo sich der Kontinent verjüngt, befanden sich die Goldküste und die Sklavenküste, hier sind die Forts und die afrikanischen Handelspartner eingezeichnet. Das Innere Afrikas war für die Portugiesen damals noch eine unbekannte Welt, die sie erst im Zuge der Kolonisierung erkundeten.

 Papst Nikolaus V. gab mit der päpstlichen Bulle "Dum Diversas" am 18. Juni 1452 seinen Segen zum europäisch-afrikanischen Sklavenhandel. Einzige Voraussetzung war, dass die Versklavten nicht-christlichen Glaubens waren. Damit verschaffte das Christentum ebenso wie der Islam dem europäischen Sklavenhandel die religiöse Rechtfertigung. Eine Reihe von afrikanischen Königshäusern war bereit, den Europäern Gefangene als Arbeitssklaven zu verkaufen. Portugiesische Händler verschifften diese nach Portugal. 1482 errichteten die Portugiesen mit dem Stützpunkt Elmina ihre erste Befestigungsanlage an der Küste des heutigen Ghana.

 

Die Sklavenforts an der Westküste Afrikas

Portugiesen fädelten den ersten Dreieckshandel mit den Akan-Völkern ein, die im heutigen Ghana lebten. Sie lieferten den Akan für ihre Goldminen Sklaven aus Luanda und erhielten dafür Gold. Die erste Massendeportation von Versklavten erfolgte von Luanda nach Sao Tomé. Jährlich kamen 4 000 Gefangene von Äquatorialafrika nach Sao Tomé und schufteten auf den Plantagen der Inselwelt. Menschenjäger entvölkerten ganze Landstriche in Afrika und verschleppten die Gefangenen an die "Sklavenküste". Die Sklavenküste erstreckte sich zwischen Volta und dem Nigerdelta. Von dort brachte man sie an die Häfen der "Goldküste", die zum heutigen Ghana zählt. Die europäischen Handelsgesellschaften errichteten an den Küsten Forts, in denen die Gefangenen eingesperrt wurden. Im Lauf eines Jahrhunderts entstanden so etwa 100 Forts. In den Forts an den Küsten wurden die Gefangenen eingekerkert, bis das nächste Schiff kam und sie nach Europa mitnahm. Die europäischen Herrscherhäuser teilten sich ihre Gebiete an der Westküste Afrikas auf, doch immer wieder gab es Streit darüber. An der Goldküste befanden sich die meisten Forts, denn die steile Felsküste bot Baumaterial und erlaubte es den Schiffen, ganz nah an die Forts heranzufahren. So konnte man die Gefangenen zügig verladen und die Fluchtmöglichkeiten verringern. Einige bekannte Forts wie Elmina Castle, Isle Gorée mit dem "Haus der Sklaven" und Cape Coast Castle kann man heute besichtigen. Sie zeigen, wie Tausende von Gefangenen in den Kellerverliesen eingesperrt waren und oft monatelang auf ihre Verschiffung nach Nord-, Mittel- und Südamerika warteten. Mehr über die Sklaveninsel Gorée vor der Küste von Senegal

 

Europäische Großmächte betreiben den transatlantischen Sklavenhandel

Atlantischer Sklavenhandel (c) LucaLuca

Der weltumspannende Handel mit Menschen begann im 16. Jahrhundert, als es hochseefähige Karavellen gab. Mit diesen Schiffen konnten Portugiesen und Spanier die Weltmeere überqueren. Im 16. und 17. Jahrhundert hatten sie sich riesige Ländereien in Amerika, Lateinamerika und Indien zu eigen gemacht. Sie hatten große Pläne. Billige Arbeitskräfte sollten Plantagen anglegen, auf denen Kakao, Kaffee, Tabak und Früchte angepflanzt werden konnten. Sie brauchten versklavte Arbeitskräfte, denn die waren am billigsten. Aus ihrem Heimatland benötigten sie jedoch die Erlaubnis, Arbeitssklaven aus Afrika einzuführen. Im Jahr 1501 erteilten die spanischen Könige Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien den Siedlern der Neuen Welt die Erlaubnis, Gefangene aus Afrika zu kaufen und zu versklaven. Auch alle anderen europäischen Monarchien folgten dem Vorgehen Spaniens und Portugals: Frankreich, die Niederlande, Großbritannien, Dänemark, Schweden und Brandenburg-Preußen. Diese europäischen Großmächte rüsteten Schiffe aus, beladen mit Waffen, Pulver, Textilien, Pferden, Alkohol, Silber, Tabak und Manufakturwaren. Zusammen mit Kolonialgesellschaften und reichen Geldgebern zogen sie einen weltweiten Sklavenhandel auf. Er umfasste drei Kontinente: Europa, Afrika und Lateinamerika. Der Dreieckshandel verlief immer nach demselben Muster: Europäische Handelshäuser verschifften ihre Waren nach Afrika und tauschten sie gegen Gefangene von afrikanischen Stammesfürsten ein. Die Gefangenen wurden nach Nord- und Südamerika oder in die Karibik gebracht und dort als Haussklaven oder Farmarbeiter verkauft. Baumwolle, Kaffee und Tabak brachten die Händler zurück nach Europa.

 

Europas Küstenstädte profitieren vom transatlantischen Sklavenhandel

Von allen großen europäischen Städten am Atlantik liefen die Schiffe Richtung Afrika aus. Viele Regionen lebten nur noch vom Handel mit afrikanischen Gefangenen, die in die Sklaverei geschickt wurden. Ein Beispiel: Nantes, die französische Stadt an der Mündung der Loire. Frankreich hatte seit dem 17. Jahrhundert die Karibikinseln Guadeloupe und Martinique in Beschlag genommen. Großgrundbesitzer hatten dort riesige Zuckerplantagen errichtet. Um 1650 begann der Handel, bei dem Gefangene aus Afrika zur Sklavenarbeit auf den Zuckerrohrplantagen in die Karibik verschleppt wurden. Mit Schiffen aus Nantes wurden etwa 550 000 Afrikaner in die Karibik deportiert. Die ganze Region um Nantes war auf irgendeine Weise am Sklavenhandel beteiligt: Sklavenschiffe mussten gebaut und ausgerüstet werden. Waren wurden aus ganz Europa herangeschafft, mit denen gehandelt werden konnte. Das waren vor allem Waffen. Bedruckte Stoffe wurden in Nantes hergestellt. Mit diesen Waren wurden in Afrika gehandelt. Die Erlöse dienten dazu, Gefangene zu kaufen.

 

Der Höhepunkt des Sklavenhandels im 18. Jahrhundert und die Kolonisierung Amerikas

Der transatlantische Sklavenhandel erreichte seinen Höhepunkt im 18. Jahrhundert. Er ging einher mit der Kolonisierung Amerikas. Die Kolonisierung Amerikas vom 16. bis 19. Jahrhundert war der Haupttreiber im transatlantischen Handel. Denn die Kolonisierung des Doppelkontinents war nur möglich aufgrund der Massenversklavung von Afrikanern, die im Norden und Süden Amerikas auf den Plantagen eingesetzt wurden. Ganze Wirtschaftszweige in Amerika und Europa lebten vom Sklavenhandel: Schifffahrtsgesellschaften, Banken, Versicherungen, Finanzhäuser, Waffenhersteller und Webereien und natürlich die Erzeugnisse der Plantagenwirtschaft. Es bildeten sich große Handelskompanien, in England etwa die Royal African Company und in den Niederlanden die Ostindien- und Westindien-Kompanien. Große Bankhäuser und Versicherungsgesellschaften in fast allen europäischen Ländern hatten Teil am Sklavenhandel: In England waren die Bank of England sowie der Versicherungsunternehmer Lloyds of London im Geschäft mit Sklavenhändlern und Reedereien, in Deutschland beteiligten sich die beiden größten Augsburger Handels- und Geldhäuser, die Welser und die Fugger, sowie das Haus Ehinger aus Konstanz.

Senegal als westlichstes Land des Kontinents mit der Insel Gorée war ein bedeutender Knotenpunkt im transatlantischen Sklavenhandel. Bereits 1444 hatten die Portugiesen ihre erste Handelsniederlassung in Senegal errichtet. Ihnen folgten ab dem 16. Jahrhundert Niederländer, Franzosen und Briten. Ihre wichtigsten Handelspartner in Senegal waren die Wolof-Reiche. Westafrikanische Herrscherhäuser wie das Königreich Dahomey im heutigen Benin, die Herrscher der Yoruba im heutigen Nigeria, die Aschanti in Ghana und die Königshäuser im Kongo waren ebenfalls wichtige Partner im transatlantischen Sklavenhandel. Diese Feststellung soll nicht die Schuld europäischer Handelsgesellschaften und Sklavenhändler schmälern. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass dieser menschenverachtende Handel nur unter Mithilfe afrikanischer Stammesfürsten möglich war.

Wieviele Afrikaner insgesamt verschleppt wurden, weiß man nicht genau. Sicher ist nur, dass in den mehr als 350 Jahren der transatlantischen Sklaverei zehn bis zwölf Millionen verschleppte Schwarzafrikaner in Amerika ankamen. Die Gier der Europäer nach immer mehr Gefangenen stiess bei den afrikanischen Herrscherhäusern zunehmend auf Widerstand. Prinzessin Nzinga, Herrscherin über die Kongo-Reiche Ndongo und Matamba im heutigen Angola, begann sich der Forderung der Portugiesen zu widersetzen. Sie zahlte einen hohen Preis für ihren Widerstand. Sie liess sich mit den Holländern ein, um ihre Macht zu bewahren. Und das bedeutete, dass sie ihre Untertanen erneut in die Sklaverei schickte. Ab 1640 lieferte sie den Holländern 12 000 bis 13 000 Gefangene pro Jahr.

Schon gewusst? Im Sklavenhandel mischten viele Piraten mit, Freibeuter aus Europa und Korsaren aus Nordafrika. Sie kannten die Wege der Sklavenschiffe und überfielen sie. Zu ihrer Beute gehörten auch Gefangene, die sie entweder gegen Lösegeld freiliessen oder an Plantagenbesitzer verkauften. Hier findest du mehr über Piraten in Afrika

 

Was hat Zucker mit dem afrikanischen Sklavenhandel zu tun?

Zucker war eines der wertvollsten Handelsgüter zwischen Lateinamerika und Europa. In Lateinamerika hatten die Spanier die Ureinwohner gezwungen, auf den Zuckerplantagen zu arbeiten. Die amerikanische Urbevölkerung war jedoch anfällig für eingeschleppte Krankheiten wie Grippe, Pocken oder Typhus. Millionen Ureinwohner starben daran. So kauften die Spanier Gefangene aus Afrika, denn sie schienen widerstandsfähiger zu sein als die amerikanische Urbevölkerung. Durch die rasante Entwicklung der Zuckerindustrie in Brasilien stieg der Sklavenhandel Ende des 16. Jahrhunderts sprunghaft an. Als man ein Jahrhundert später Gold in Brasilien entdeckte, schnellte die Nachfrage nach Sklaven noch weiter in die Höhe. Zwischen 1700 und 1810 wurden etwa 1 800 000 Menschen von Afrika nach Brasilien transportiert. Nach Brasilien dauerte die Segelreise im Durchschnitt einen Monat, in die nordamerikanischen Kolonien etwa doppelt so lange. In die Handelsschiffe wurden Zwischendecks eingezogen, so dass 400 oder mehr Gefangene auf ein Schiff passten. Angekettet kauerten sie auf weniger als einem Quadratmeter pro Person. Die hygienischen Zustände waren katastrophal, so dass nur zwei Drittel der Gefangenen die Reise überstand. Wer schwer krank wurde oder eine ansteckende Krankheit hatte, wurde von der Besatzung einfach über Bord geworfen. Auf dem Foto rechts siehst du Gefangene auf einem Sklavenschiff im Kongo. Das Foto entstand um 1901, als die Sklaverei in Europa und den USA bereits abgeschafft war.

 

Was geschah mit den versklavten Menschen?

Sobald die Sklavenschiffe die Stützpunkte in der Neuen Welt erreichten, wurden die Gefangenen für den Verkauf vorbereitet. Sie erhielten vitaminreiche Kost, Haare und Bart wurden geschnitten. Wunden und körperliche Makel wurden versorgt. Dann wurden die Gefangenen in drei Kategorien eingeteilt: in Gefangene, die in der Landwirtschaft und Plantagenbewirtschaftung eingesetzt werden konnten, in Gefangene für den Haushalt und für Handwerksberufe sowie Gefangene für den Bergbau. Die Käufer bezahlten anfangs mit ihren Erzeugnissen wie Zucker, Tabak, Baumwolle, Gewürze, Kaffee und anderen Rohstoffen. Im 17. Jahrhundert mußte in der jeweiligen Währung der Sklavenändler bezahlt werden. 1670 lag der Preis für einen Gefangenen bei ca. 18 englische Pfund, 1740 betrug der Preis 34,4 Pfund. Zwischen 1806 und 1818 betrug der Preis für einen Gefangenen 85 Pfund. Für junge Männer wurde mehr bezahlt als für Frauen. Auch Kinder wurden verkauft und dann meist von ihren Müttern getrennt. Sie schufteten als Haussklaven oder arbeiteten bei der Feldarbeit mit. Es gab ganz genaue Regeln, wie mit versklavten Menschen umgegangen wurde. Die "Besitzer" durften die Versklavten misshandeln, weiterverkaufen und im schlimmsten Fall sogar töten. Die Arbeit war so schwer, dass die Lebenserwartung auf den Plantagen nur zwischen 8 bis 10 Jahre betrug. Noch schlimmer war die Lebenserwartung der Kinder von Versklavten: Neunzig Prozent verstarben im ersten Lebensjahr. Die europäischen Händler kümmerten sich nicht mehr darum, was mit ihnen geschah. Sie verstauten Baumwolle und Luxusgüter auf ihren Schiffen und transportierten sie nach Europa. Europäische Handelshäuser verdienten damit sehr viel Geld, denn Kaffee, Gewürze und Tabak waren begehrt und teuer. Mehr als drei Jahrhunderte währte der Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Amerika. Der Handel mit Menschen, ihre Deportation und Versklavung war grausam, unmenschlich und verursachte unendliches Leid.

 

Die Abschaffung der Sklaverei

Wo begann der Kampf um die Abschaffung der Sklaverei? In Afrika, in Amerika oder in Europa? Im Zeitalter der Aufklärung veränderten sich in Europa die Werte um Freiheit und Menschlichkeit. Die Versklavung von Menschen, egal welcher Hautfarbe, wurde zunehmend als barbarisch betrachtet. Erste Proteste gegen die Sklaverei wurden laut. Die Abschaffung der Sklaverei wurde von mehreren Gruppierungen und Ideen eingeleitet: von den Sklavenaufständen, von religiös motivierten Gruppen wie den Quäkern, die den Sklavenhandel ablehnten, sowie von der Bewegung der Abolitionisten, die aus Gründen des Freiheitsgedankens und der Menschlichkeit Sklaverei abschaffen wollten. Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts führten zahlreiche Sklavenaufstände im Süden Amerikas und auf den Inselwelten in der Karibik der Weltöffentlichkeit die Unmenschlichkeit der Sklaverei vor Augen. Über den Sklavenaufstand von Nat Turner auf einer Farm in Virgina wurde in allen amerikanischen Zeitungen berichtet. Ein Reporter veröffentlichte die Bekenntnisse von Nat Turner kurz vor dessen Hinrichtung.

Mehr über Nat Turner und den Aufstand in Virginia

Im August 1791 begann im heutigen Haiti und der Dominikanischen Republik ein Sklavenaufstand, der die Abschaffung der Sklaverei vorantrieb. Wieder gab es viele Opfer. Die Berichte darüber gingen um die Welt. Die Bevölkerung in Europa und in den USA war von den schlimmen Auswüchsen des Sklavenhandels erschüttert. In der Presse wurde die Abschaffung der Sklaverei gefordert. Dänemark hatte den Sklavenandel bereits 1722 verboten. In England bildeten sich etwa 1787 die ersten Widerstandsbewegungen gegen die Sklaverei. Geld wurde gesammelt für Prozesse, damit Versklavte für ihr Recht auf Freiheit kämpfen konnten.

Thomas Clarkson, links im Bild, und Granville Sharp gründeten eine Gesellschaft zur Abschaffung der Sklaverei. Unterstützt wurden sie von William Wilberforce, im mittleren Bild, Wortführer der "abolition society". Er brachte die Abstimmung zur Abschaffung der Sklaverei mehrfach im britischen Unterhaus ein. Auch ein ehemaliger Sklavenschiffkapitän, John Newton, machte sich gegen die Sklaverei stark. William Murray, rechts im Bild, 1st Earl of Mansfield, kämpfte juristisch gegen Sklavenhaltung. Diese Männer, und mit ihnen viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter, setzten sich mit ihrem ganzen Können für die Beendigung dieses unwürdigen Handels ein. Dennoch dauerte es noch viele Jahrzehnte, bis endlich die Sklaverei in England abgeschafft wurde. Die Briten beendeten mit dem Slave Trade Act vom 24. Februar 1807 die Sklaverei im eigenen Land. Die Vereinigten Staaten verboten den Sklavenhandel zur gleichen Zeit wie die Briten. Erst nach vielen Aufständen und Protesten schlossen sich auch Spanien, Portugal, Brasilien und Frankreich dem Verbot der Sklaverei an. In Frankreich kam es erst 1848 zur endgültigen Abschaffung der Sklaverei. Sklavenhandel ist in Frankreich heute anerkannt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In arabischen Ländern dauerte die Sklaverei noch bis 1963 an. Am längsten währte die Sklaverei in Mauretanien, erst 1980 wurde sie in dem westafrikanischen Land abgeschafft. Mehr über Granville Sharp und den Prozeß gegen Sklaverei

Medaillon zur Abschaffung der Sklaverei (c) wikicommonsSchon gewusst? Erst mit der Abschaffung der Sklaverei wurde in England auch die Kinderarbeit verboten! Die Kinder der armen Leute schufteten bis dahin in den Bergwerken und Industrien und wurden wie Sklaven behandelt.

Sklaverei heute

Die Sklaverei ist Teil einer schrecklichen und leidvollen Geschichte, die bis in die Gegenwart hineinwirkt. Die Aufarbeitung mit dieser Geschichte hat dazu geführt, dass das Verbot der Sklaverei ein Bestandteil der Menschenrechtserklärung der UN ist. Artikel 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthält ein Verbot der Leibeigenschaft, der Sklaverei und des Sklavenhandels. Auch heute müssen sich die Menschen auf allen Kontinenten mit Sklaverei auseinandersetzen. Das haben die großen Demonstrationen angesichts des Todes des Afroamerikaners George Floyd im Mai 2020 gezeigt. Dabei ging es um Polizeigewalt, Rassismus und darum, dass der heutige Rassismus mit dem einstigen Sklavenhandel zu tun hat. Man müsste meinen, dass es heute keine Sklaverei mehr gibt. Leider ist das nicht der Fall. Zahlen zeigen, dass mehr Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen leben als je zuvor. Kinder werden als Arbeitskräfte verkauft, Beweise dafür gibt es zum Beispiel in Kamerun, Sudan, Mauretanien. Kinder werden als Kindersoldaten rekrutiert, auch heute noch im Kongo. Und minderjährige Mädchen werden in die Zwangsprostitution geschickt, weltweit. Nach neuesten Zahlen von Anti-Slavery International leben heute allein zehn Millionen Kinder weltweit in sklavenähnlichen Verhältnissen.  

Hier erfährst du mehr über die Afroamerikanerin Sojurner Truth und ihren Kampf gegen die Sklaverei

Was noch wichtig ist: Die Erforschung der Sklaverei ist ein noch junges Gebiet in der Geschichtsforschung. Vor allem afrikanische Historiker und Anthropologen haben die Beteiligung afrikanischer Eliten am Sklavenhandel genauer untersucht und kommen zu einer neuen Einschätzung. Nach ihren bisherigen Erkenntnissen wurde die Beteiligung afrikanischer Stammesfürsten bislang unzureichend dargestellt. Generell gilt, dass sich das Bild der Sklaverei und der wichtigsten Akteure auch noch in Zukunft erweitern und verändern wird.